Cushing – der kleine Ort im US-Bundesstaat Oklahoma sorgt derzeit einmal mehr für viel Wirbel an den Rohölmärkten. Denn so überschaubar Cushing mit seinen wenigen tausend Einwohnern auch sein mag. Dank seinen über 30 ein- und ausgehenden Pipelines und 16 großen Lagerterminals gilt das Örtchen als der wichtigste Knotenpunkt für den globalen Rohölmarkt.
Ölvorräte halbieren sich
Die Rohölmärkte verbuchen wieder stark steigende Preise, seitdem gestern bekannt wurde, dass die Rohölmenge am Umschlagplatz auf 22 Millionen Barrel (a 159 Liter) gesunken ist. Was auf den ersten Blick noch als beachtliche Menge erscheint, treibt den Akteuren an den Ölmärkten die Sorgenfalten auf die Stirn.
Denn noch im Juni standen die Ölvorräte in Cushing auf einem Zweijahreshoch bei 43 Millionen Barrel. Der beträchtliche Rückgang ist das Ergebnis einer höheren Nachfrage seitens der Raffinerien und einer ebenso höheren Exportnachfrage. Cushing verfügt über Lagerkapazitäten in Höhe von 98 Millionen Barrel.
Mindestfüllstand nahezu erreicht
Mit den gestern vom US-Energieministerium festgestellten 22 Millionen Barrel, verzeichneten die Bestände im Zentrallager nicht nur den niedrigsten Stand seit der Woche zum 8. Juli 2022, sondern man liegt nun gefährlich nahe an der Mindestbetriebsgrenze. Ab diesem Füllstand wird es schwierig, das noch verfügbare Öl abzupumpen. Im Allgemeinen entspricht die Arbeitsfüllhöhe eines Tanks rund 85 Prozent der Nennkapazität, sofern jeder Lagertank über ein Dach und einen Mindestfüllstand verfügt. Dieser wird gewöhnlich vom Terminalbetreiber überwacht und daher kann die Tankkapazität üblicherweise nicht voll ausgeschöpft werden.
„Wenn man den Ölstand zu weit absinken lässt, kann das Öl schlammig werden und nicht mehr abgepumpt werden. Was dann herauskommt, kann nicht mehr verwendet werden“, erläuterte Carl Larry, Verkaufsdirektor bei der Rohstoffberatungsgesellschaft Wood Mackenzie, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Wegen steigender Preise: Raffinerien verkürzen Wartungsperiode
Die Lagerbestände in Cushing könnten sich während der Wartungsarbeiten, die in der von September bis Oktober laufenden Raffineriewartungssaison stattfinden, noch erhöhen. Aber nicht alle Experten sind der Meinung, dass dies ausreichen würde, um die 16 Lagerterminals wieder nutzbar zu machen: Die Raffinerien könnten sich angesichts der immer noch starken Kraftstoffnachfrage für eine kürzere Wartungsperiode entscheiden.
Der Rückgang der Raffinerielieferungen während der Wartungssaison wird auf 1,8 Millionen Barrel täglich geschätzt, verglichen mit 1,5 Millionen Barrel pro Tag zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr. Sollten die Lagerbestände jedoch nicht nennenswert ansteigen, würde sich dies zusätzlich preistreibend auswirken und die US-Ölsorte WTI näher an die 100 Dollar pro Barrel heranbringen. Zur Wochenmitte hatte WTI 91,75 Dollar pro Barrel gekostet.
2014 wird sich nicht wiederholen
Bereits vor neun Jahren waren die Lagerbestände in Cushing sogar auf unter 20 Millionen Barrel gefallen, bevor die Bestände schnell wieder aufgefüllt wurden. Eine Wiederholung dieses Szenarios halten Rohstoffexperten diesmal allerdings für ausgeschlossen. Denn seit damals haben sich die Vereinigten Staaten zu einem der weltweit wichtigsten Öl- und Treibstoffexporteure entwickelt – und gerade angesichts der aktuellen Förderkürzungen durch die OPEC wird jedes Barrel Rohöl an den Märkten gebraucht.
Dem ernst der Lage entsprechend, setzten die Ölpreise gestern ihre Rallye fort. Die Preise für die US-Sorte WTI und die das Atlantiköl Brent kletterten auf den höchsten Stand seit über einem Jahr. Die Preise für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, näherten sich wieder der Marke von 1.000 US-Dollar je Tonne. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa +1,60 bis +2,20 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch zur Wochenmitte.
Source: Futures-Services