Anleger preisten zum Wochenschluss die Möglichkeit einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten ein, nachdem israelische Bodenangriffe auf den Gazastreifen für das Wochenende vorhergesagt wurden. Die Ankündigung Israels markierte eine Woche nach dem tödlichen Amoklauf der militanten Palästinensergruppe Hamas im Süden Israels den Übergang von einem Luftkrieg zu Bodenoperationen.
In der Konsequenz legten die Ölpreise alleine am Freitag um fast 6 Prozent zu, wobei die Atlantiksorte Brent den höchsten Wochengewinn seit Februar verzeichnete. Sowohl Brent als auch die amerikanische Sorte WTI verzeichneten die höchsten prozentualen Tagesgewinne seit April. Brent verbuchte einen wöchentlichen Anstieg von 7,5 Prozent und damit den größten Zuwachs seit Februar. WTI kletterte in der letzten Woche um 5,9 Prozent nach oben.
Iran und Hisbollah: Angst vor Zweifrontenkrieg wächst
Am Freitag stiegen die Preise auch deshalb weiter an, da der iranische Außenminister davor warnte, dass die von Teheran unterstützten Kämpfer eine neue Front im israelischen Krieg gegen die Hamas eröffnen könnten. Ein unmittelbar bevorstehende Bodenangriff des israelischen Militärs wurde immer wahrscheinlicher, nachdem es auf eine Evakuierung des nördlichen Teils des Gazastreifens gedrängt hat.
Der Konflikt im Nahen Osten hat sich bislang kaum auf die weltweiten Öl- und Gaslieferungen ausgewirkt. Investoren und Marktbeobachter schätzen derzeit jedoch ein, ob der Konflikt eskalieren könnte und was dies für die Lieferungen aus den Nachbarländern in der weltweit wichtigsten Ölförderregion bedeuten könnte. Der iranische Ölminister Javad Owji warnte am Freitag davor, dass die Ölpreise aufgrund der aktuellen Situation im Nahen Osten voraussichtlich 100 Dollar pro Barrel erreichen werden. Der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian wiederum sprach am Freitag mit dem Chef der mächtigen, von Teheran unterstützten libanesischen Hisbollah, die selbst grenzüberschreitende Angriffe auf Israel verübt, über den Konflikt zwischen Israel und Hamas.
Tauwetter zwischen Riad und Jerusalem beendet
Saudi-Arabien wiederum plant, die von den USA unterstützten Pläne zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel auf Eis zu legen, so zwei Quellen, die mit den Überlegungen in Riad vertraut sind. Dies deutet darauf hin, dass das Land angesichts der Eskalation des Konflikts seine außenpolitischen Prioritäten überdenkt. Dieser Schritt könnte weitreichende Auswirkungen auf die weltweite Ölversorgung haben. Laut dem Wall Street Journal hatte Saudi-Arabien dem Weißen Haus noch vor dem Angriff der Hamas mitgeteilt, dass es bereit sei, die Ölproduktion Anfang nächsten Jahres zu erhöhen.
Erste Sanktionen gegen Reedereien
Preissteigernd wirkte sich auch aus, dass die USA am Donnerstag die ersten Sanktionen gegen die Eigner von Tankschiffen verhängten, die russisches Öl transportierten, dessen Preis über der Obergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel lag. Damit wollen die G7-Staaten Schlupflöcher schließen, durch die sanktioniertes russisches Öl auf westliche Märkte gelangen könnte, um Moskaus Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Russland ist der zweitgrößte Ölproduzent der Welt und ein wichtiger Exporteur, und die strengere Kontrolle seiner Lieferungen durch die USA könnte das Angebot einschränken.
USA könnten Iran-Sanktionen wieder verschärfen
Sollten die USA die Sanktionen gegen iranische Ölexporte aufgrund einer möglichen Rolle Irans in dem Konflikt verschärfen, könnte dies zu einem Rückgang der iranischen Öllieferungen führen. Einige Ölexperten rechnen mit diesem Szenario und verweisen darauf, dass damit dem Ölmarkt möglicherweise Hunderttausende von Barrel entzogen würden. Der Nachweis eines Rückgangs der iranischen Exporte würde wahrscheinlich zu einem Anstieg der Ölpreise führen, obwohl der Anstieg durch die Tatsache gedämpft würde, dass der Rückgang weniger als 1 Prozent des Ölmarktes ausmachen würde.
Der Iran könnte die Märkte noch dramatischer stören, wenn er die Straße von Hormus blockiert, eine Passage vom Persischen Golf zum offenen Meer, durch die täglich 17 Millionen Barrel Öl exportiert werden. In diesem Fall rechnen Rohstoffexperten damit, dass der Ölpreis deutlich über 100 Dollar steigen wird. Die Lage in der Straße von Hormus wäre dann ihrer Ansicht zwar dramatisch, aber nur von kurzer Dauer, weil sich die USA einschalten würden, um die Blockade zu lösen.
Nachdem die Notierungen für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, am Freitag im Verlauf des Handelstages deutlich leicht zulegen konnten, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet im Schnitt etwa +2,80 bis +3,70 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch zum Wochenschluss.
Source: Futures-Services